Innere Stärke

Knowing-Doing Gap: So lebst du deine Stärken tatsächlich (Gastbeitrag: ZuRechtPsychologie)

In unserer Reihe zur „Knowing-Doing Gap“ haben wir bereits verschiedene Bereiche betrachtet, in denen unser Handeln oft hinter unserem Wissen zurückbleibt. Heute widmen wir uns einem meiner Lieblingsthemen: unseren persönlichen Stärken.

Stell dir vor, du durchquerst eine Wüste*. Du hast sorgfältig geplant und einen großen Wassertank dabei – mehr als genug, um die Reise energiegeladen und erfrischt zu überstehen (im Deutschen fehlt uns das Durst-Pendant für “satt”, oder?). Doch irgendwie erlaubst du dir nur kleine Schlucke, gerade genug, um nicht völlig zu verdursten. Du kommst zwar am Ziel an, aber du bist erschöpft, ausgetrocknet und kraftlos – mit einem immer noch fast vollen Wassertank. 

Genauso verhält es sich, wenn wir unsere persönlichen Stärken im Alltag ungenutzt lassen.

*Jaaa, ich weiß, das ist ein toootaaal realisitisches Beispiel und gar nicht melodramatisch… Aber es ist ein sehr einprägsames Bild – und darum nehme ich diese Dramatik in Kauf 🙃

Inhaltsverzeichnis

Warum Stärken leben so wichtig ist

Die Positive Psychologie hat in zahlreichen Studien gezeigt: Wenn wir regelmäßig unsere Stärken einsetzen, steigt nicht nur unser Wohlbefinden – wir werden auch widerstandsfähiger gegen Stress und erleben mehr Flow-Zustände. 

Menschen, die ihre Charakterstärken kennen und bewusst einsetzen, berichten von größerer Lebenszufriedenheit und mehr Sinnerleben in ihrem Alltag.

Anders als bei vielen anderen Selbstverbesserungsansätzen geht es nicht darum, etwas Fehlendes zu ergänzen oder Defizite auszugleichen. Stattdessen aktivierst du Ressourcen, die bereits in dir vorhanden sind – was wesentlich nachhaltiger ist und deutlich weniger Energie kostet.

Du kennst deine Stärken vielleicht bereits – aus Persönlichkeitstests, Feedback anderer oder deiner eigenen Erfahrung. Vielleicht ist es deine Fähigkeit, kreative Lösungen für komplexe Probleme zu finden. Dein sensibles Einfühlungsvermögen. Deine Gabe, den Überblick zu behalten, wenn alle um dich herum im Chaos versinken. younameit

Und dennoch: Halte kurz mal inne und beantworte folgende Fragen: Wie oft gibst du diesen Stärken tatsächlich Raum in deinem Leben? Wie viel deiner Energie fließt in Aktivitäten, die genau diese Stärken nutzen? Wo hast du noch Luft nach oben?

Wenn du merkst, dass du ein Thema mit Abgrenzung hast, obwohl du eigentlich schon weißt, wie “Nein”-sagen geht, dann lies jetzt meinen Gastbeitrag auf dem Blog der Stefanie Stahl Akademie:  “Knowing-Doing Gap und Abgrenzung: Warum du deine Grenzen kennst, aber sie trotzdem nicht setzt (Gastbeitrag: ZuRechtPsychologie)”.

Warum setzen wir unsere Stärken so selten ein?

Dass wir unsere Stärken nicht immer optimal nutzen, das hat nichts mit fehlendem Willen zu tun. 

Unser hektischer Alltag und die vielen Dinge, die wir tun “müssen”, verhindern oft, dass wir unsere Stärken wirklich ausleben können. 

Gerade wenn du zu den Menschen gehörst, die immer 150% geben, die keine Aufgabe ablehnen können und regelmäßig über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus tätig sind, vernachlässigst du deine Stärken wahrscheinlich sehr oft. Während du gewissenhaft daran arbeitest, alles perfekt zu erledigen und bloß keine Schwäche zu zeigen, bleibt für deine eigentlichen Fähigkeiten und Entfaltung kaum Zeit.

Das Resultat kennst du wahrscheinlich: Abends sinkst du erschöpft auf die Couch, morgens startest du bereits mit Energiedefizit in den Tag. Wichtige Beziehungen leiden, für Hobbys fehlt die Kraft, und selbst die grundlegendste Selbstfürsorge wird immer wieder aufgeschoben.

Die Erkenntnisse der Positiven Psychologie zeigen: Bereits kleine, gezielte Veränderungen in deinem Alltag können einen spürbaren Unterschied machen. Du musst nicht dein gesamtes Leben umkrempeln, um den Wassertank, den du bereits mit dir führst, endlich zu nutzen.

Dieser Artikel soll keine weitere Position auf deiner ohnehin langen To-Do-Liste sein. Er ist eine Einladung, das zu nutzen, was bereits in dir steckt – und damit nicht nur deine Leistungsfähigkeit, sondern vor allem dein Wohlbefinden nachhaltig zu verbessern.

Stärken erkennen – ein neuer Blickwinkel

Bevor du deine Stärken besser nutzen kannst, lohnt es sich, einen frischen Blick darauf zu werfen, was Stärken eigentlich sind – und was nicht. Denn hier beginnt oft schon die erste Verwechslung.

Fähigkeiten vs. Stärken: Der entscheidende Unterschied

Was wir im normalen Sprachgebrauch als Stärken bezeichnen, sind oftmals nur erlernte Fähigkeiten. Du kannst durchaus eine exzellente Buchhalterin sein und komplizierte Tabellen perfekt bearbeiten. Und trotzdem fühlt es sich nach getaner Arbeit so an, als hätte dir jemand den Stecker gezogen.

Eine echte Stärke erkennst du daran, dass sie dir Energie gibt, statt sie zu nehmen.

Die Positive Psychologie unterscheidet hier klar: Eine Stärke ist nicht einfach nur etwas, das du gut kannst. Es ist etwas, das dich beim Ausüben mit Energie und einem Gefühl von Stimmigkeit erfüllt. Martin Seligman, einer der Begründer der Positiven Psychologie, spricht von „Signaturstärken“ – jenen Eigenschaften, die für deine Persönlichkeit besonders charakteristisch sind und deren Einsatz sich für dich mühelos und natürlich anfühlt.

Mehr zur Positiven Psychologie und dem PERMA-Modell von Martin Seligman kannst du im Blogartikel von ZuRechtPsychologie nachlesen: “PERMA-Modell von Martin Seligman – Glücksformel der Psychologie”

Der Energietest: Echte Stärken identifizieren

Ein einfacher, aber wirkungsvoller Weg, deine wahren Stärken zu erkennen, ist der “Energietest”. Es ist kein richtiger Test, sondern eine kleine Selbstbeobachtungsaufgabe:

  1. Beobachte eine Woche lang bei verschiedenen Tätigkeiten dein Energieniveau – vorher und nachher 
  2. Frage dich: Bei welchen Aktivitäten fühle ich mich hinterher energiegeladener als vorher?
  3. Achte besonders auf Momente, in denen du die Zeit vergisst und völlig im Tun aufgehst (wenn du ganz “im Flow” bist)

Typischerweise wirst du feststellen, dass manche Tätigkeiten dich regelrecht beflügeln, während andere – selbst wenn du sie gut beherrschst – dich erschöpfen.

Infografik "Energietest: Stärken identifizieren" – zeigt vier Schritte, um persönliche Stärken zu erkennen: Energieniveau beobachten, Aktivitäten bewerten, Flow-Momente identifizieren und Erkenntnisse nutzen, um wahre Stärken zu erkennen.

Wenn du das Gefühl hast, dass dein Selbstwert dich daran hindert ins Handeln zu kommen empfehle ich dir den Blogbeitrag “Knowing-Doing Gap und Selbstwert – Warum du nicht ins Handeln kommst (Gastbeitrag: Stefanie Stahl Akademie)” aus unserer Reihe.

Von der Ausnahme zur Regel: Stärken gezielt einsetzen

Jetzt geht es aber wirklich darum, wie du die Lücke zwischen “Ich kenne meine Stärken” und “Ich lebe meine Stärken wirklich aus” zu schließen. 

Der entscheidende Schritt, um die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu überwinden, beginnt mit einer strukturierten Reflexion. Für nachhaltige Veränderung braucht es dann in einem weiteren Schritt klare Handlungspläne. 

Übung: Die Stärken-Inventur

Nimm dir bewusst 30 Minuten ungestörte Zeit für diese Übung. Es ist keine verlorene Zeit, sondern eine Investition, die sich in Form von mehr Energie und Zufriedenheit vielfach auszahlen wird. Promise! 

So funktioniert die Stärken-Inventur:

  1. Erste Spalte: Deine Stärken auflisten
    Schreibe alle Stärken auf, die dir einfallen oder die du in Tests identifiziert hast. Sei dabei nicht bescheiden, sondern großzügig – schreibe auch auf, was dir selbstverständlich erscheint.
  2. Zweite Spalte: Wo nutzt du sie bereits?
    Notiere konkrete Situationen und Aktivitäten, in denen du diese Stärken schon einsetzt. Selbst wenn es selten vorkommt – wo genau ist es?
  3. Dritte Spalte: Wo könntest du sie mehr einsetzen?
    Hier wird es spannend: Sammle Ideen, wo und wie du jede einzelne Stärke häufiger nutzen könntest – beruflich und privat.

Beispiel:

StärkeAktuelle NutzungPotenzial für mehr
Strukturiertes Denken• Beim Erstellen von ProjektplänenTeammeeting moderieren
Empathie• Im Gespräch mit engen Freund*innenMentoring für Junior-Kolleg*innen

Beruflich vs. privat: Unterschiedliche Spielräume nutzen

Im beruflichen Kontext hast du möglicherweise weniger offensichtliche Freiheiten, deine Stärken einzubringen. Aber auch hier gibt es fast immer unentdeckte Möglichkeiten:

  • Kannst du bestimmte Aufgaben anders angehen?
  • Gibt es Projekte, für die du dich freiwillig melden könntest?
  • Lassen sich Meetings oder Präsentationen so gestalten, dass deine Stärken zum Tragen kommen?

Im privaten Bereich ist dein Spielraum manchmal gefühlt größer. Hier kannst du bewusst Aktivitäten wählen und gestalten, die deine Stärken zur Entfaltung bringen:

  • Welches Hobby würde deine Stärken ansprechen?
  • Wie könntest du deine Stärken in Freundschaften oder Familienbeziehungen mehr einbringen?
  • Gibt es ein Ehrenamt oder Engagement, das perfekt zu deinen Stärken passt?

Die Knowing-Doing Gap entsteht oft aus mangelnder Klarheit darüber, wie genau wir unsere Stärken im Alltag integrieren können. Diese bewusste Reflexionszeit schafft die nötige Brücke zwischen dem Wissen um deine Stärken und ihrer tatsächlichen Nutzung.

Wähle nach dieser Übung ein oder zwei konkrete Ideen aus, die du in der kommenden Woche umsetzen wirst. Nicht als vage Absicht, sondern mit konkretem Wann und Wie.

Bonus: Erzähle anderen Menschen von deinem Vorhaben, das erhöht die Verbindlichkeit. 

Wenn die Knowing-Doing Gap dich daran hindert in Beziehungen zu wachsen, empfehle ich dir den Blogbeitrag „Wie die Knowing-Doing Gap deine Beziehungen sabotiert (Gastbeitrag: Stefanie Stahl Akademie)“ aus unserer Reihe.

Fazit: Dein erster Schritt aus der Knowing-Doing Gap

Verstehst du jetzt ein bisschen besser, warum ich zu Beginn dieses Blogartikels dieses einprägsame Bild gezeichnet habe, von einem Wassertank, den wir durch die Wüste schleppen, weil er uns eigentlich helfen und unterstützen soll. Und warum mich das so an die Stärken erinnert, die so oft irgendwie verkümmern? 

Auch weil wir so oft damit beschäftigt sind, unsere Defizite zu verbessern. Und dabei ganz vergessen, dass jede einzelne Person so viele unterschiedliche Stärken mitbringt, die genutzt werden wollen. 

Darum war es mir besonders wichtig, im Rahmen dieser Reihe zur Knowing-Doing Gap auch die Stärken vor den Vorhang zu holen.  

Gleichzeitig ist dies auch der letzte Blogartikel unserer fünfteiligen Reihe zur Knowing-Doing Gap. Wir hoffen, dass für dich der eine oder andere hilfreiche Impuls dabei war, der dir dabei helfen kann, etwas umzusetzen, von dem du schon lange weißt, dass es einen echten, positiven Unterschied in deinem Leben machen könnte. 

Weiterführende Möglichkeiten und nächste Schritte

Die Umsetzung deiner Stärken im Alltag ist ein Prozess, der Zeit braucht und manchmal auch Unterstützung erfordert. Wenn du feststellst, dass du bei diesem Thema immer wieder an ähnliche Hindernisse gerätst, könnte eine professionelle Begleitung hilfreich sein.

In meinen Coachings und Workshops zum Thema Stressmanagement und Ressourcenaktivierung arbeite ich mit Klient*innen daran, ihre individuellen Stärken bewusster zu nutzen und die typischen Blockaden zu überwinden. Schaue gerne auf www.zurechtpsychologie.at/coaching vorbei, um mehr darüber zu erfahren, wie ich dich ganz individuell im Coaching unterstützen kann.

Über die Autorin

Bettina Kapfer ist Psychologin, Coach und Trainerin für Stressmanagement und Resilienz. Aus ihrer früheren Karriere als Juristin weiß sie aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn der Terminkalender überquillt, die To-Do-Liste nie kürzer wird und abends kaum noch Energie für die wichtigen Dinge im Leben bleibt.

In ihrer Arbeit verbindet sie fundiertes psychologisches Wissen mit praktischen Methoden, die im hektischen Alltag tatsächlich umsetzbar sind. Sie begleitet Menschen, die trotz beruflicher Erfolge unter Erschöpfung, nächtlichem Gedankenkreisen und dem zermürbenden Gefühl leiden, nie genug geleistet zu haben.

Ihre Mission: Dir zeigen, dass Erfolg und Wohlbefinden keine Gegensätze sein müssen. In Workshops, Seminaren und Einzelcoachings entwickelst du mit ihr individuelle Strategien, die dir helfen, deine Ziele zu erreichen, ohne dabei deine Gesundheit, wichtige Beziehungen oder deine Lebensfreude zu opfern.

Zusammengefasst

Was ist der Unterschied zwischen Fähigkeiten und echten Stärken?

Eine Fähigkeit kannst du gut, aber sie kostet dich Energie. Eine echte Stärke gibt dir Energie beim Ausüben. Du vergisst die Zeit dabei und fühlst dich hinterher energiegeladener als vorher. Das ist der entscheidende Unterschied!

Warum setze ich meine Stärken so selten ein, obwohl ich sie kenne?

Dein hektischer Alltag lässt wenig Raum dafür. Wir lernen meistens schon als Kinder in der Schule, dass wir uns darauf konzentrieren sollten, Schwächen auszugleichen statt Stärken zu nutzen. Ein anderes Problem ist, dass du deine Stärken zwar kennst, aber nicht die konkreten Wege, wie du sie im Alltag einsetzen könntest. 

Wie erkenne ich meine wahren Stärken?

Mach den „Energietest“ (=Reflexion): Beobachte und notiere eine Woche lang dein Energieniveau vor und nach verschiedenen Tätigkeiten. Echte Stärken erkennst du daran, dass sie dich energiegeladener machen und du dabei völlig im Flow aufgehst.

Wie schaffe ich es, meine Stärken gezielt im Alltag einzusetzen?

Mach eine Stärken-Inventur mit 3 Spalten: 1) Deine Stärken auflisten, 2) Wo nutzt du sie bereits?, 3) Wo könntest du sie mehr einsetzen? Wähle dann 1-2 konkrete Ideen aus und setze sie mit klarem Wann und Wie um.

Was bringt es mir, meine Stärken bewusst zu leben?

Du erlebst mehr Lebenszufriedenheit, wirst stressresistenter und hast häufiger Flow-Momente. Der große Vorteil: Du aktivierst Ressourcen, die bereits da sind. Das kostet weniger Energie als ständig an Schwächen zu arbeiten und fühlt sich ganz ehrlich gesagt auch viel besser an.

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